Mittwoch, 28. Juli 2010

Die Nachwahlen vom 28. Juli

Heute haben in insgesamt 8 Wahlkreisen in Korea Nachwahlen zum Parlament stattgefunden. Nachwahlen finden immer statt, wenn ein Amtsinhaber seinen Sitz wegen einer rechtskräftigen Verurteilung über einer gewissen Grenze verliert, zurücktritt oder stirbt.
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Die Ausgangslage
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Besonderes Augenmerk richtete sich auf diese Wahl, da es in nur einem Wahlkreis eine Mandatsaberkennung gegeben hatte (Seoul, Eunpyeong II), in allen anderen waren die meist linken Kandidaten von ihren Parlamentsmandaten zurückgetreten, weil sie im Zuge des Siegs bei den Kommunalwahlen von 2. Juli ein Amt auf Provinzebene übernommen hatten.
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Dementsprechend war die Ausgangssituation eigentlich recht eindeutig: 8 Wahlkreise, davon 7 ursprünglich von der linken Opposition gehaltene, zumal Sitze, die selbst bei den letzten Parlamentswahlen, die in einer herben Niederlage für die Linken geendet hatten, trotzdem an die DP und andere linke Oppositionsparteien gegangen waren. Nicht zuletzt Sitze mit – wie am 2. Juli bewiesen – populären linken Amtsinhabern.

Die Regierungspartei musste sich in zwei Sitzen in der Chungcheong-Provinz bewähren, wo sie im aktuellen Parlament mit nur einem einzigen Abgeordneten vertreten ist und bei den Kommunalwahlen vor zwei Monaten teils heftige Niederlagen einstecken musste. Ebenso die drei Sitze in Gangwon-do. Hier gab es zudem die Kritik, dass der frischgewählte Provinzgouverneur von der DP gleich von der Staatsanwaltschaft wegen Verstößen gegen das Wahlgesetz verhört wurde. Viele in der Provinz sehen das als politisch motiviert. Ob politisch motiviert oder nicht – die Stimmung war auch in Gangwon-do nicht positiv. Dann gab es noch einen Kreis in Incheon, auch Incheon wurde bei den Kommunalwahlen verloren und war ein sicherer Sitz der DP. Und dann noch Seoul Eunpyeong. Die Seouler Ergebnisse bei den Kommunalwahlen waren teils heftige Schlappen, Lee Jae-oh, der GNP-Kandidat dies mal, hatte bei den Parlamentswahlen zudem in bester Stimmung für die GNP gegen den vereinten Kandidaten der Opposition verloren. Ein schlechtes Omen allemal.
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Hinzu kam, dass die Regierungspartei GNP trotz Führungswechsel in üble Skandale verwickelt war. So gab es Vorwürfe das Ministerpräsidentenbüro habe Zivilisten überwacht, in einem Fall ist dies inzwischen als Quasi-Wahrheit festgestellt, auch wenn es nicht direkt mit der GNP zu tun hat. Ein GNP-Abgeordnete hat zudem in mehreren Fällen sexistische Kommentare über Frauen abgegeben; nicht das erste mal in einer ohnehin notorisch als Machopartei bekannten GNP, die sich bemüht auch mehr bei Frauen anzukommen. So jedenfalls nicht.

Nicht zuletzt hatte die Opposition auch ihr Geheimrezept vom letzten Mal wieder in vielen Kreisen erfolgreich angewandt: Geschlossene Opposition mit einem Kandidaten gegen das Regierungslager gewinnt, so die einfache Rechnung, die ich bereits im Ausgang der letzten Kommunalwahlen für nur bedingt richtig gehalten habe.
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Aber dann war da ja sogar noch die Wahlbeteiligung. Auch hier machten Medien und Opposition, ja sogar die Regierungspartei alle die gleiche Milchmädchenrechnung auf. Dass ebenso wie beim letzten Mal die jungen Wähler an die Urnen gegangen seien und es deshalb deutlich sei, dass die DP hier einen Vorteil haben werde.
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Der Wahlabend
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Dann wurde es 20 Uhr, die Wahllokale schließen und kurz vor 9 trafen die ersten Auszählungsergebnisse ein. Ungläubiges Staunen, stotternde Moderatoren, nur der Politikanalyst auf YTN war nicht allzu überrascht.
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Zunächst lag die GNP in 4 Wahlkreisen vorne – ein unglaublicher Sieg, nachdem man vorher gesagt hatte schon 2 (inklusive Seoul) wären nach dem Tal zumindest ein Erfolg, 3 ein richtiger Sieg. Und je länger der Abend dauerte, desto ungläubiger wurden die Beobachter. Im DP-Hauptquartier brach der Parteivorsitzende wortlos auf und ward nicht mehr gesehen. Die Regierungspartei war aber ebenso versteinert, denn damit hatte auch sie nicht gerechnet, zwei Monate nachdem sie teils bitter abgestraft wurde.
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Als es gegen 22 Uhr ging, wurde der dritte Wahlkreis immer knapper. Ein bekannter General hatte in einem Kreis an der Grenze für die GNP kandidiert und schaffte es tatsächlich als Underdog das Rennen noch zu drehen und lag am Ende recht deutlich vor dem Oppositionskandidaten.
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Das Ergebnis war ebenso deutlich wie die Niederlage der GNP bei den Kommunalwahlen: 5 GNP, 3 DP. Die Regierungsmehrheit um 4 weitere Sitze ausgebaut, die ohnehin im Vergleich zur GNP nur halb so große DP-Fraktion um weitere 2 Sitze geschrumpft. Und das als Oppositionspartei in bester Stimmung. Es ist schlicht das erste Mal, dass eine Regierungspartei in einer Nachwahl mit offenen Rennen (d.h. außerhalb von Honam und Yeongnam, wo die Stimmung recht fest ist) deutlich als Sieger hervorgehen kann. Das erste mal seit 11 Jahren zudem, dass eine Regierungspartei überhaupt vorne liegt. Bei höherer Wahlbeteiligung, auch dies somit ein Novum.
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Die Analyse
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Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Und drittens ist der Wechselwähler in seiner Wechselaktivität sehr wählerisch. Vieles von dem, was ich in meiner Analyse der Kommunalwahlen gesagt habe, hat sich noch deutlicher bestätigt als ich es selbst geglaubt hätte, dass es sich so schnell materialisiert.
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Der Ball lag nach den Kommunalwahlen im Feld der Regierungspartei ihren Laden in den Griff zu bekommen. Das hat man, personeller Führungswechsel und die Beendigung des leidigen Sejong-Themas haben das Lager wieder einigermaßen geeint.
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Um aus dem Sieg vor zwei Monaten auch wirklich etwas Handfestes zu machen, hätte die Demokratische Partei den Wähler ernster nehmen müssen. ALLE Analysen zeigten, dass die Wähler der Demokratischen Partei fast genauso misstrauen wie der GNP, dass es aber eine Stimmung gab, der Regierungspartei einen Warnschuss zu versetzen. Ich hatte in meiner Analyse bereits klar aufgezeigt, dass es nicht die Stärke der DP war, die die Partei zum Sieg geführt hat . Die einfache Formel von Aufscheuchen der Jungen, Aufstellen eines gemeinsamen Kandidaten der Opposition, das hat nicht verfangen. Zudem verfangen sich bereits jetzt nach zwei Monaten einige neugewählte Amtsträger, insbesondere in den Bildungsämtern, in der Realität des politischen Alltags. Dass man für all die Versprechen Gelder finden muss, dass es rechtliche Bindungen gibt – all das war bekannt, aber kam im Wahlkampf natürlich nicht zur Sprache.
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Die GNP hat das in ihrer Situation Richtige getan: Sie hat allgemein bekannte und im jeweiligen Wahlkreis verwurzelte Persönlichkeiten aufgestellt. Die Analysen werden zeigen, dass der GNP die Mobilisierung ihrer Stammwähler gelungen ist, die durch die wiedererstarkte DP alarmiert waren, während die jüngeren Wähler dies mal wieder eher zuhause blieben.
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Wie immer sollte man aber bei einer Analyse in die einzelnen Kreise gehen, um nicht zu verzerrte Bilder zu liefern.
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Den GNP-Sieg in Incheon darf man nicht überbewerten: Gerade einmal ein Viertel der Wahlberechtigten ging zur Wahl. Der Sieg war zudem recht knapp. Trotzdem ein großer Erfolg, da dieser Sitz zweimal an die Opposition ging und nun erstmals seit 6 Jahren wieder von einem GNP-Abgeordneten repräsentiert wird.

Gwangju-Süd zeigt ziemlich gut, warum die DP verloren hat: Sie ist als Partei nicht beliebt. Die oppositionelle Arbeiterpartei DLP trat hier gegen den DP-Kandidaten an, wobei man sagen muss, dass Gwangju die absolute Hochburg der DP ist. Und im Endeffekt konnte der DLP-Kandidat über 40% der Stimmen holen. Obwohl seine Partei landesweit bei höchstens 5% liegt und in Gwangju ebenfalls bei nur 10-15%.
In Wonju in der Provinz Gangwon hat die DP gewonnen. Hier in dieser Region hat sich viel gewandelt, dies scheint stabiles DP-Gelände zu werden. Eine der wenigen guten Nachrichten heute für die DP. 12% Vorsprung, hohe Wahlbeteiligung.
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Im Großwahlkreis Taebaek, Yeongwol, Pyeongchang, Jeongseon war ein DP-Sieg so gut wie sicher, nachdem das hier eine sehr strukturschwache Region ist, die ohnehin zur DP neigt und die Wut über die Aussetzung der Amtszeit von Provinzgouverneur durch die angeblich konservativ beeinflusste Staatsanwaltschaft groß war. Bei hoher Wahlbeteiligung knapp 10% Vorsprung für den DP-Kandidaten, der Theater-Schauspieler ist, eine schöne Abwechslung allemal in der Nationalversammlung.
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Der dritte Wahlkreis in Gangwon war Hwacheon, Cheorwon, Inje, Yanggu. Und hier kam es zu einer faustdicken Überraschung, hat sich doch der konservative Kandidat durchgesetzt. Zwei Faktoren gelten als entscheidend: Der Mann ist bekannt, ein weithin geschätzter Karriere-General, verwurzelt in der Region mit guten Netzwerken. Zudem hat sich in der Region ein leichter Strukturwandel abgespielt und die Nachwehen der Cheonan-Angelegenheit sind noch zu spüren. Schon bei den Kommunalwahlen hatte die GNP in Gebieten an der Grenze weniger verloren als anderswo oder sogar leicht hinzugewonnen. Hohe Wahlbeteiligung, sechs Prozent Vorsprung. Dieses Ergebnis zeigt, dass es eben nicht reicht „irgendwen“ aufzustellen, Hauptsache es ist nur ein Oppositionskandidat.
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Cheonan in Süd-Chungcheong ist die nächste Überraschung. Der Wahlkreis war im Bereich des Möglichen, aber erwarten konnte man den Sieg des GNP-Kandidaten hier nicht, nach den teils existentiellen Kämpfen, die die GNP mit den Bürgern der Provinz ausgetragen hat. Mit acht Prozent Vorsprung ein deutlicher Sieg und somit macht vor allem die Deutlichkeit den Effekt.
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Ein Erstaunen ging bei den ersten Ergebnissen aus Chungju durch das Studio bei YTN und Jubelstürme durch die GNP-Parteizentrale. Die Hauptstadt der Provinz Chungcheong-Nord ist ebenfalls nicht gerade leichtes Pflaster für die Partei. Die Bewohner Chungcheongs sind tendentiell konservativ, aber nicht GNP-freundlich.
Dass der Kandidat der Partei in einer denkbar schlechten Ausgangslage, in einem denkbar schlechten Wahlkreis bei recht hoher Wahlbeteiligung mit 63% der Stimmen den DP-Kandidaten mit einem Vorsprung von mehr als 26% quasi deklassiert, hätte sich wohl niemand träumen lassen.
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Und dann ist da noch Seoul. Eunpyeong II um genau zu sein. Basis eines der engsten Vertrauen von Präsident Lee. Das hatte ihm 2008 bei den Parlamentswahlen, die insgesamt für die GNP gut ausgingen, den Sitz gekostet. Der von mir sehr geschätzte Mun Guk-hyeon gewann hauchdünn gegen Lee Jae-oh, der anschließend die obligatorische Politik-Auszeit nahm und dann die Menschenrechtskommission leitete.
Nun ist er also wieder da. Und hat nach nur 2 Jahren Auszeit seinen Sitz wieder. Und es war nicht einmal knapp. Bei einer für Nachwahlen extrem hohen Wahlbeteiligung von über 40%, die somit auch im Parlamentswahl-Bereich liegt, gewann er gegen Jang Sang von der DP. Das Duell war das wichtigste Duell dieser Nachwahlen, beide Seiten investierten enorme Zeit und Geld in ihre Kandidaten und die DP hoffte auch hier mit einem Import-Kandidaten als geeinter Alternative zum verhassten Lee Jae-oh erfolgreich sein zu können. Im Endeffekt setzte sich aber Lees Netzwerk im Wahlkreis durch, das er während 40 Jahren Arbeit im Bezirk aufgebaut hat. Er deklassierte Jang und lag am Ende 20% vor ihr. Jang ist keineswegs eine Zählkandidatin gewesen; sie ist Präsidiumsmitglied der DP, war immer wieder als Ministerpräsidentin unter linken Präsidenten im Gespräch bzw. wurde sogar dafür vorgeschlagen und ist eine bekannte Pfarrerin.
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Der Ausblick
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Was ist nun daraus zu machen? Es hat sich herausgestellt, dass Wähler nicht nur wählen, sondern sogar recht wählerisch sind. Sie wollen regional verwurzelte Kandidaten, die sie kennen. Zumindest diejenigen, die zur Wahl gehen.
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Die Regierungspartei hat zum ersten Mal seit 11 Jahren eine Nachwahl gewonnen und das aus einer denkbar schlechten Ausgangsposition. Es ist zudem der klarste Sieg einer Regierungspartei überhaupt. Die neue Parteiführung geht gestärkt aus den Wahlen. Gleichzeitig hat Präsident Lee jetzt wieder einige Vertraute mehr in Fraktion und Partei, um seine Vorhaben durchzudrücken.
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Die DP hingegen ist tief getroffen; die ohnehin nicht leise Kritik am Parteivorsitzenden Chung Se-kyun wird jetzt noch lauter werden, der Machtkampf ist ohnehin in vollem Gange. Der Parteitag wird wichtige Weichen stellen müssen.
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Warum das alles bedeutend ist? Weil bereits jetzt die ersten Anzeichen für Bewegungen in Richtung Präsidentschaftswahl 2012 zu sehen sind. Die Rennpferde bringen sich schon in Stellung, bzw. lassen schon einmal ihre Ställe bemannen.
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Die letzten beiden Wahlen zusammengenommen haben eine klare Botschaft: Die Regierung ist unbeliebt, die GNP sowieso, aber die Opposition kann sich nicht darauf verlassen, dass die jungen und uninteressierten Wähler an die Urnen strömen, nur weil die GNP als Feindbild da ist. Um eine Anti-Lee-Anti-GNP-Stimmung auch in Wahlerfolge umzusetzen, braucht es 1. Schlagkräftige Themen 2. Bekannte, verwurzelte Personen, die mit diesen Themen assoziiert werden 3. Enorme Mobilisierungsanstrengungen seitens der Parteiorganisation (Twitter, Gutscheine etc.). Bei einer Parlamentswahl und Präsidentenwahl ist die Mobilisierung der DP-nahen Wähler, die sich für eine „unwichtige“ Nachwahl nicht so interessieren naturgemäß größer, die GNP sollte also auch nach diesem völlig unerwarteten und historischen Erfolg nicht frohlocken. Die Kommunalwahlen haben allerdings sicherlich das Regierungslager enger zusammengebracht und die konservativen Stammwähler alarmiert. Ob das reicht, um Präsidentschaft und Mehrheit im Parlament zu verteidigen, ist jedoch weiter fraglich. 2 Jahre sind ohnehin noch Zeit, aber selbst wenn sofort gewählt werden würde, wäre das Rennen völlig offen. Und so ist es dem wahren politischen Beobachter doch im Endeffekt auch am liebsten.
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Und der Wähler hat ziemlich weise entschieden: Beiden großen Parteien einmal tief in die Magengrube gehauen in der Hoffnung, dass sich etwas ändert.
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2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

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