Dienstag, 9. September 2008

Lee ist nicht das Problem, aber er schafft sie sich

Heute war eine TV-Diskussion auf MBC mit Präsident Lee Myeong-bak. Was mich selbst überraschte; seine Politikvorschläge und Einschätzungen zur Gesellschaft sind fast überall auf meiner Linie und klingen sehr vernünftigt, insbesondere wenn sie in einer großen Reform implementiert hören.
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Genau genommen hört es sich viel besser an als die unverantwortlichen Versprechen, die er im Wahlkampf noch gemacht hat. Offensichtlich haben die letzten Monate ihm gezeigt, dass er zumindest in seinen Plänen mal ein bisschen realistisch werden sollte. Insbesondere die Bereiche Bildung und Landwirtschaft überzeugten mich.
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Zum einen sagte er, dass es nun einmal eine Wahrheit sei, dass man nicht so viele Bauern braucht in einer Industrienation und dass es nötig sei die verbliebenen Bauern zu unterstützen, indem man Nebenerwerbsmöglichkeiten öffnet und die Rohprodukte verarbeitet, also keine Äpfel verkaufen, sondern eine Apfelsaftabfüllstation auf dem Land bauen und es an die Städter verkaufen.
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Zum anderen sagte er der Studentin, die auf einer Provinzuni irgendwas studierte, eiskalt ins Gesicht, dass in einem Land mit 83% Studenten aller Jugendlichen einfach nicht jeder eine lebenslange Festanstellung bei einem großen Unternehmen bekommen kann und man stattdessen Stipendien vergibt an Leute, die eine Ausbildung macht - damit könne man auch verhindern so viele Ausländer reinzuholen. Man könne nicht gleichzeitig die Südostasiaten raushalten wollen und sich selbst als Jugendlicher dafür zu schade sein, als Müllarbeiter zu arbeiten.
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ABER...
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Lees Problem ist wirklich - und das wird auch in einer solchen Diskussion deutlich - er "connected" einfach nicht mit dem Volk. Eine Sarah Palin hat lauter Ansichten, die auch vielen Amerikanern gegen den Strich gehen, aber mit Biographie und Auftreten schafft sie es diese Leute irgendwie einzunehmen. Lee macht das Gegenteil. Er hat in einigen Bereichen wirklich gute Ansichten, um das Volk zu begeistern, aber er begeistert sie nicht, weil er redet wie ein Oberlehrer.
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Viel schlimmer, er redet mit einer autoritär-schleimig-herablassenden Art, die an das Klischee eines koreanischen Bosses im Umgang mit seinen Untergebenen erinnert. Er schafft es nicht die Leute mitzunehmen, sie für seine Ziele zu begeistern und genau genommen versucht er das nicht einmal ernsthaft. Dabei wäre das koreanische Volk noch immer bereit, große Opfer zu bringen, wenn eine wirkliche Führungspersönlichkeit käme, die es jedem Bauern und jedem Professor erklärt, warum genau man jetzt aufhören soll die Kinder sinnlos in die Hakwons zu stecken. Es ist die Arroganz der Macht, die seine Politik zugrunde richtet. Wirklich schade.
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1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Aufgrund meiner mangelhaften Koreanisch-Sprachkenntnisse bleibt mir die Kenntnisnahme von südkoreanischer Innen- und Außenpolitik nahezu verwehrt. Diesen Blog finde ich daher besonders spannend. Mir ist zwar klar, dass Präsident Lee nicht auch noch einen Friedensnobelpreis für seine Nordkoreapolitik mit nach Hause nehmen wird, aber welche Politik fährt er überhaupt? Der Auftritt der koreanischen Mannschaften am 08.08.08 in Peking war eine Farce. Was weißt Du darüber? maro